Yannis in Heredia

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 Liebe Leser

Ich wollte schon immer mal irgendwo anders in der Welt leben, neue Menschen und Kulturen kennenlernen und ein Austauschjahr war natürlich die perfekte Gelegenheit dafür. Ich entschied mich somit das Schuljahr 2017/2018 in dem wunderschönen Land Costa Rica zu verbringen, welches vor allem für seine Natur und Tiere aber auch für aufgeschlossene und lebensfreudige Menschen bekannt ist und ich kann jetzt schon sagen, dass man dies alles auch auf jeden Fall findet. Dass ich damals noch nahezu keine Spanischkenntnisse hatte, war übrigens ein nicht allzu grosses Problem.

Wir flogen also per Direktflug nach Costa Rica und haben die ersten Tage erstmals in einem Einführungscamp verbracht, wo wir ein wenig die Sprache, vor allem aber ganz viele Informationen rund um Land und Einwohner nähergebracht bekamen. Am Ende wurden dann alle von ihren Gastfamilien dort abgeholt und ich hatte auf dem kurzen Rückweg zum Haus schon mal Zeit, sie ein wenig kennenzulernen.

Die ersten Tage in der neuen Familie haben sich natürlich zuerst ein wenig komisch angefühlt, jedoch überhaupt nicht im negativen Sinne. Ich wurde hilfsbereit empfangen, wir sind direkt am ersten Tag noch zum Vulkan Poás gefahren, wobei dieser leider das ganze Jahr über geschlossen bleiben sollte, und generell habe ich mich den Umständen entsprechend wohl gefühlt. Da ich erst sehr spät in meine Schule konnte, habe ich sehr viel Zeit mit meinem älteren Gastbruder verbracht, da dieser wie sein Vater in der Werkstatt zuhause arbeitete. Er hat mir das Dorf ein wenig gezeigt, mit mir neue Wörter beigebracht und auch den ein oder anderen Scherz getrieben. Generell fand ich die Familiendynamik toll. Wir sind jedes Wochenende essen, ins Kino oder in die Mall gegangen und hatten mehrmals die Woche, wenn nicht jeden Tag Besuch von Verwandten bzw. sind zu ihnen gefahren. Die erweiterte Familie in Costa Rica lebt selten weit weg und es zählt mit Sicherheit zu den Lieblingsbeschäftigungen der Ticos (Costa Ricaner), Zeit mit Freunden und Verwandten zu verbringen.

Eine Sache die mich jedoch anfangs ein bisschen gestört hat war, dass ich auf Grund der Arbeitslage der Gasteltern an Wochenenden und freien Tagen oft zu Hause rumsass, während andere Austauschschüler schon relativ viel vom Land gesehen hatten. Schlussendlich aber habe ich auch eingesehen, dass man daran nichts gross ändern kann und man sich auch selber Aktivitäten suchen muss und Ausflüge planen kann (sofern es die Gastfamilie erlaubt).

Nach ungefähr einem Monat konnte ich dann auch endlich in die Schule und habe mich sehr gefreut, neue Leute und Freunde kennen zu lernen. Ich kam auf eine technische Schule, in dieselbe Klasse wie mein jüngerer Gastbruder, was mir zwar einiges vereinfachte, jedoch auch oft ein wenig einschränkend war, da mir doch schon des Öfteren gesagt wurde, ich solle mich doch lieber nicht mit dem Einen oder Anderen anfreunden. Zudem hatte ich jeden Tag von 7 Uhr morgens bis halb 5 Uhr abends Schule, was zusammen mit den vielen Schulaufgaben nicht sehr viel Freizeit übrigliess. Das klingt jetzt ein wenig abschreckend, jedoch ist das bei Weitem nicht an allen Schulen in Costa Rica so und sie sind definitiv auch viel lockerer und einfacher als wir es aus der Schweiz kennen. Eine spannende Sache in Bezug auf Schulen in Costa Rica ist auch noch, dass es einerseits natürlich Schuluniformen gibt und es zudem so ist, dass das Schulgelände oft völlig abgeriegelt ist und sich somit alles innerhalb (auch über den Mittag oder bei Freistunden) und niemals ausserhalb abspielt.

Je mehr Monate ich in der Familie verbrachte, desto angespannter wurde jedoch die Stimmung zwischen der Gastmutter und mir und schlussendlich, nach etwa vier Monaten brachte leider ein Todesfall in der Familie (Grossmutter) das Fass zum überlaufen. Ohne genauer darauf einzugehen, kann ich sagen, dass es auf einen sehr spontanen Familienwechsel hinauslief und mich die Partnerorganisation noch kurzfristig in einer Übergangsfamilie unterbringen musste, wo ich dann vier tolle Wochen bei unglaublich lieben Menschen verbringen durfte.

Es folgten die Schulferien, der Wechsel zu meiner eigentlichen neuen Gastfamilie und generell hat sich alles zum Besseren gewandelt, was mich sogar froh darübermachte, die Familie gewechselt haben zu müssen. Die neue Familie war netter und offener, ich konnte mehr Ausflüge unternehmen, hatte im Ganzen auch mehr Freizeit dank der neuen Schule und fand unzählige neue Freunde, was jetzt, dank den schon vorhandenen Sprachkenntnissen, natürlich auch einfacher war als zu Beginn. In meiner Freizeit konnte ich nun mehr Ausflüge unternehmen und bin sehr oft mit meinen Schulfreunden Fussball spielen gegangen (Nr. 1 Sport in Costa Rica), um für das schulinterne Fussballturnier zu trainieren. Mit der Zeit ist mir aufgefallen, wie wenig ich meine ersten Monate eigentlich wirklich genossen habe.

Bis kurz vor Schluss des Programmes lief dann eigentlich alles super, ich habe mich toll eingelebt und mich sehr wohl gefühlt, was es mir umso schwerer machte, als es dann von Seiten der Gasteltern doch plötzlich wieder hiess, dass das alles nicht funktionieren würde und ich bitte die letzten drei Wochen noch bei einer anderen Familie verbringen solle. Die Organisation vor Ort hat mir zwar versichert, dass es nicht meine Schuld sei, jedoch hätte man jetzt auch keine alternative Familie zurzeit im selben Ort. Erneut meine Schule und Freunde zurückzulassen, und dies für eine so kurze Zeit, hat mir natürlich überhaupt nicht gefallen und nach langen Herumgefrage und ganz viel Hilfe von into hat sich dann schlussendlich doch noch die Möglichkeit ergeben, meinen letzten Monat mehr oder weniger am selben Ort zu verbringen.

Das mag nun alles ein wenig negativ klingen, jedoch möchte ich noch sagen, dass ich trotz allem eine tolle Zeit in meinem Austauschjahr hatte und ich nicht nur sprachlich, sondern vor allem auch zwischenmenschlich sehr viel gelernt habe. Ich würde es jeder Zeit wieder machen und auch wenn man im Austauschjahr sicherlich mit einigen Problemen konfrontiert wird, lernt man solche zu bewältigen und sammelt unzählige schöne Erinnerungen und Erfahrungen, welche ich persönlich für nichts in der Welt mehr hergeben würde.

Ich bin jetzt ausserdem nicht allzu stark auf das Land an sich eingegangen, da andere diesen Teil schon super erledigt haben, und ich mehr meine Erfahrungen mit den Leuten, die vielleicht nicht unbedingt alle positiv waren, beschreiben wollte.

Yannis