Jessica in Cherry Hill

Mein amerikanisches Bühnenstück

Auch wenn es mittlerweile über drei Jahre her ist, dass ich Deutschland für ein Jahr den Rücken gekehrt habe, sind alle Erlebnisse und Erfahrung bei mir noch in lebhafter Erinnerung. Der Gedanke für ein Jahr in die USA zu gehen ist mir in der 9. Klasse gekommen und hat mich dann auch nicht wieder losgelassen - für mich stand fest: das 11. Schuljahr verbringe ich in den USA (und nirgendwo anders). Nach einiger Überzeugungsarbeit bei meinen Eltern habe ich die Kurzbewerbung ausgefüllt, woraufhin in Null-Komma-Nichts ein Termin für das Interview vereinbart wurde, sodaß ich mich zusammen mit meinen Eltern schon bald im Hamburger into-Büro wiederfand, wo alle möglichen offenen Fragen geklärt wurden, wir ganz viele Infos bekamen und auch ein bisschen Englisch gesprochen wurde (meine vorherige Nervosität deswegen war absolut unbegründet). Als mir dann mitgeteilt wurde, dass ich im Programm aufgenommen bin, ging für mich ein Traum in Erfüllung! Nach dem Interview bekam ich die ausführlichen Bewerbungsunterlagen zugeschickt - gesundheitliche Angaben, Beurteilung meiner Schule und ganz viele Infos über mich, inklusive Foto-Collage und Briefe an die potentielle Gastfamilie.

Danach ging das Warten los…Der monatliche Newsletter machte die ganze Sache spannender und irgendwann kam der große Briefumschlag mit der Post - die Gastfamilie war gefunden! Für das kommende Jahr hieß mein Wohnort Cherry Hill, New Jersey in den USA. Und besser hätte es nicht sein können: Man telefonierte ein erstes Mal und schrieb sich Emails und die Vorfreude wurde immer größer! Ich konnte es nicht mehr erwarten! Das Vorbereitungsseminar machte alles so real - der Abflug rückte immer näher. In einer Hamburger Jugendherberge trafen ca. 30 zukünftige Austauschschüler aufeinander, ganz neugierig, was sie wohl erwarten wird. Die Antwort darauf: ganz viel Spaß und letzte Infos (Visum, Gepäck, Versicherung etc.) und das Beste: ehemalige Austauschschüler (Returnees), die man mit Fragen löchern konnte!!!!

Und ehe ich mich versah, war auch schon August und der Abend vor dem Abflug. Alles wirkte so unwirklich wie ein Traum. Aber am nächsten Morgen ging es mit vollgepackten Koffern zum Flughafen und innerhalb von ein paar Stunden war man in New York mit all den anderen Austauschschülern gelandet. Auf dem Weg zum Hofstra Uni-Campus (damals war das Orientation Camp noch ein bisschen außerhalb von New York) kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus: all die Wolkenkratzer, Empire State Building, Statue of Liberty….Das Camp hat soooo viel Spaß gemacht, man hat neue Leute kennengelernt, war shoppen, fuhr zum Strand und natürlich das Sight Seeing nicht zu vergessen!

Nach fünf Tagen war es auch schon wieder Zeit ins Flugzeug zu steigen, um zur Gastfamilie zu fliegen - wieder einmal Aufregung pur! „Werde ich auch abgeholt? Was ist, wenn sie mich vergessen haben? Erkenne ich sie auch bzw. sie mich?“ All diese (absurden) Gedanken schwirrten in meinem Kopf… Natürlich alles unbegründet. Als ich zur Gepäckausgabe kam, sah ich meinen Namen auf einem riesigen Schild gehalten von meiner Gastmutter Anne Marie und daneben stand meine Gastschwester Caitlin, die genau wie ich 16 Jahre alt war. Ihre Geschwister waren schon ausgezogen. Mein Gastvater Tom unterrichtete Englisch und Theater an der High School die ich mit Caitlin besucht habe und Anne Marie arbeitete für ein Performing Arts Center. Und nicht zu vergessen: Ginger, der Familienhund! Die erste Woche verbrachte ich gleich mit meiner Gastfamilie im Urlaub. Dort lernte ich ihre Geschwister und weiter Familienmitglieder (Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins) kennen, da dies der alljährliche Familienurlaub war! Sehr viele Namen und neue Gesichter!

Nach einer weiteren Woche ging die Schule los. Vor dem ersten Tag hatte ich wirklich Angst - 2300 Schüler, Hilfeeee! Auch wenn ich vorher die Gelegenheit hatte die Schule zu besichtigen, war ich ziemlich nervös. Aber ich habe mich nicht einmal verlaufen und kam in jeder Klasse an, somit war ich beruhigt! Ein großes Thema in meiner Gastfamilie war (und ist es natürlich immer noch) Theater! Denn auch meine Gastgeschwister teilten die Leidenschaft ihrer Eltern: Caitlin wirkte an allen Produktionen der High School mit, und ihre Geschwister arbeiteten am Theater. Da lag es nahe, dass auch ich nicht „verschont“ blieb. Über das Jahr verteilt besuchte ich mit meiner Familie zahlreiche Theateraufführungen, an denen die Familienmitglieder beteiligt waren. Und auch in der Schule war es ein großes Thema, da meine High School da sehr engagiert war. Mein Freundeskreis waren Schüler des Music & Theater Departments. Ich schloß mich der Stage Crew (gestalten des Bühnenbildes) an und fand dort sehr gute Freundinnen und auch mit Caitlin‘s Freunden verstand ich mich super und so wurden sie auch meine. Doch ich wirkte nicht nur „hinter den Kulissen“, sondern stand auch einmal selbst auf der Bühne - für das Fall-Musical „Aladdin“. Ich war Tänzerin und hatte den Spaß meines Lebens: Wir hatten sogar Tiere in der Show! Außerdem gab es viele Schulkonzerte, denn auch die Chöre der Cherry Hill High School East sind bekannt. Ich selbst habe auch in einem der Chöre mitgesungen. Ein großes Event war ein Benefizkonzert, wo Schüler einzeln, als Duett oder auch in der Gruppe aufgetreten sind, um Geld für eine gemeinnützige Organisation zu sammeln oder die „Opera Night“, bei der die Chöre mit Opern-Solisten aufgetreten sind.

Im Frühjahr fand der „Junior Prom“ statt. Es wurde intensives Kleider-Shopping betrieben bis das perfekte Kleid gefunden wurde, ein Friseurtermin musste her, die Nägeln gemacht werden und die Limousinen durften auch nicht fehlen! Zusammen wurde viel getanzt und gefeiert.

Zusammen mit meiner Gastfamilie habe ich auch Ausflüge nach Philadelphia, New York und Washington D.C unternommen. Neben dem Sightseeing hab ich auch viel über die Geschichte der USA gelernt, denn Philadelphia ist ja der Ort an dem die Geschichte der USA mit der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung angefangen hat und in Washington D.C findet man zahlreiche Denkmäler wichtiger Ereignisse.

Ganz toll waren natürlich die amerikanischen Feiertage: Thanksgiving, amerikanische Weihnachten, New Year’s, St. Patrick's Day… Alles Neuheiten für mich! Diese Tage hat man mit der Familie verbracht und diese Anlässe waren natürlich mit ganz viel Essen verbunden :-) Weihnachten war mein Lieblingsfeiertag: Christmas Eve haben wir mit Familie und Freunden verbracht und Christmas Morning alle im Pyjama gefrühstückt und Berge an Geschenken ausgepackt - beendet wurde der Tag mit einem riesigen Essen!

Mein Jahr endete mit einer großen Familienfeier: Am Tag vor meiner Abreise heiratete meine älteste Gastschwester! Ich war froh dabei gewesen zu sein – einen schöneren Abschluss hätte es nicht geben können! Ein Auslandsjahr ist eine einzigartige Erfahrung und begleitet einen dann das ganze Leben. Ob in der Schule durch verbesserte Englischkenntnisse oder auch später, da man ein unglaubliches Selbstbewusstsein aufbaut und auch neuen Dingen aufgeschlossen entgegenblickt…